
Das Abschlußkonzert der 20. Saison „Klassik im Kloster“ war ein wahres Festkonzert, wie Prof. Manuela Jahrmärker schon einleitend versprach: Zwei ARD-Wettbewerbspreisträger und ein Preisträger des Internationalen Beethoven-Wettbewerbs (Wien), die Soloflötistin der Bamberger Symphoniker Daniela Koch, der Solofagottist des Hessischen Rundfunkorchesters Theo Plath und der Pianist Aris Blettenberg präsentierten ihr „Volles Rohr“ überschriebenes Programm, das etwa 120 Jahre von 1786 bis 1919 umspannte, in einer Art und Weise, wie dies auf jedem bekannten Konzertpodium Furore gemacht hätte.
Am Anfang stand das „Trio G-Dur“ des noch ganz jungen Ludwig van Beethoven. Fagottist Theo Plath nannte es ein ausgelassenes, kontrastreiches Stück, in das der Komponist „unglaublich viel reingepackt hat“. Und tatsächlich begann ein flottes, fröhliches Musizieren mit Leichtigkeit und perfektem Zusammenspiel, in dem die Bläser immer wieder selbstbewusst hervortraten. Etwas melancholisch, ruhig und getragen erklang das Adagio, das von einem raschen Andante mit Variationen abgelöst wird, in dem sowohl Fagott wie Flöte in je einer hochvirtuosen Variation brillieren sollen. Und das taten sie denn auch, jeder in wunderbar warmem, selbst im Forte noch wohltönendem Klang. Es folgte Carl Reineckes (1824-1919) sogenannte „Undine“-Sonate. Dazu stellte Flötistin Daniela Koch De la Motte Fouqués Erzählung der Nixe Undine vor, die sich eine menschliche Seele wünscht – ein Verlangen, das ihr zunächst gewährt wird, dann aber tragisch endet. So lassen im 1. raschen Satz Figuren, die zwischen den Instrumenten getauscht werden, Wellen und Wasser assoziieren; im langsamen Satz umspielen Klavier und Flöte einander, musikalisches Anzeichen dafür, dass die Nixe sich in einen Ritter verliebt. Abrupte, dunkle Basstöne und heftige Akzente im Klavier stören im 3. Satz die Idylle; leidenschaftlich dramatische Passagen künden den Bruch der Liebenden; und mit zarten, geradezu sehnsüchtigen Flötentönen nimmt Undine schließlich Abschied und kehrt in ihr Element zurück.
Eine für die Moderne im Frankreich des frühen 20. Jahrhunderts typische Komposition stellt die Sonate für Fagott und Klavier op. 71 des Franzosen Charles Koechlin (1867-1950) dar. Fagottist Plath stellte ihn als „Meister der leisen Töne“ vor. Und so war das Andante ruhig und zurückhaltend, das Allegretto kam flott und spritzig daher, im Nocturne gab sich der Fagottist den langen dunklen Klängen gleichsam hin, während sich das Finale über virtuose Passagen zu einem effektvollen plötzlichen Schluss steigerte, der die Zuhörerschaft etwas unschlüssig zurückließ. „Das war’s“, meinte lapidar der Fagottist, dann gab’s Beifall.
Ganz anders dann das so große wie großartige romantische Klaviertrio von Mendelssohn-Bartholdy (1809-1847) in d-Moll op. 49, hier aber in einer Fassung für Flöte statt Violine, Fagott statt Cello, eingerichtet von Plath persönlich, und Klavier. Stürmisch setzt es ein, im Andante konnte jedes Instrument brillieren. Das Scherzo mit seinen dahinhuschenden Läufen und koboldhaften Figuren war ein Höhepunkt an perfektestem Zusammenspiel und technischer Brillanz, die allen, zuvorderst aber dem Pianisten abgefordert wird. Der köstliche Schluss gab den Auftakt zu dem leidenschaftlichen Finale. Die drei Musiker gestalteten die
Phrasen in einem einzigen Atem, Höhepunkt folgte auf Höhepunkt hin zum glorreichen Schluss. Aris Blettenberg hatte den weitaus größten Part dieses Abends, der einem Solo-Recital in nichts nachstand und vielfach orchestrale Züge trug; er war es, der vom Klavier aus immer wieder den Ton, die Atmosphäre setzte. Doch spielten hier nicht etwa drei sehr gute Solisten nur sehr gut zusammen, sondern sie hörten aufeinander, dialogisierten im steten Austausch miteinander, gestalteten große Bögen, antworteten sich, stuften ihre Dynamik vielfachst ab, die sie überdies bis ins feinste Pianissimo zu führen wußten – mit einem Wort: Sie ließen die Musik zu einem lebendigen Organismus werden, wie es bester Kammermusiktradition entspricht. Der rauschende Beifall und die stehenden Ovationen des wieder zahlreich versammelten Publikums waren nur zu verdient. Ein ruhiges Stück von Dmitri Schostakowitsch ließ das besondere Konzert melodienreich ausklingen.
Johann Grad
Foto: Daniela Koch (v. l.), Aris Blettenberg und Theo Plath gestalteten das letzte Konzert der 20. Saison.